Geschichte von Herchen
Eine kurze Geschichte
des Dorfes an der Sieg
von Wolf-Rüdiger Weisbach
Text aus seinem Buch „Herchen – Perle an der Sieg“
Blattwelt Verlag, 2011
VERSCHIEDENE GRÜNDUNGSTHEORIEN
Herchen wurde urkundlich erstmalig in einer Urkunde des Papstes Innozenz d. 2. vom 31. März 1131 erwähnt. Sie bestätigt, dass die katholische Pfarrgemeinde dem Cassiusstift Bonn „zugehörig“ sei.
Wahrscheinlich war aber der Ort schon wesentlich früher Stätte eines germanischen Opfersteins, der an der Stelle der heutigen katholischen romanischen Basilika gestanden haben soll. Von anderer Seite werden ein alter römischer Lagerplatz als Grundstein Herchens und eine römische Opferkapelle am Standort der jetzigen katholischen Kirche St. Peter vermutet. Es soll aber schon zur Römerzeit eine Opferkapelle am Platz der jetzigen katholischen Kirche gestanden haben.
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Ansicht von Herchen mit katholischer Kirche um 1850 (Kupferstich nach einer Zeichung von C. Hohe) | Herchen heute: mit evangelischer und katholischer Kirche |
Diese Ansicht könnte bestärkt werden durch eine römische Heerstraße sechs km von Herchen entfernt auf den Höhen der jetzigen Nutscheid. Eine Straße, die schon Ptolemäus im 2. Jahrhundert auf einer seiner Fahrten vermerkt haben soll (H. J. Wirths). Auf dieser Straße sei Varus mit seinen Legionen in den Teutoburger Wald gezogen. Zwischen dieser Straße und dem „Mauspfad“, – einem Handelsweg zwischen Köln und dem Süden Europas bestand ein Verbindungsweg, der in Herchen über eine Furt die Sieg querte. Ein Grund mehr für die Bedeutung Herchens in der Vergangenheit.
Andere Quellen sehen Herchen als eine Gründung der Alemannen an, die z. Zt. Karls des Großen in dieses Gebiet kamen. So vielseitig, wie die Entstehungstheorien Herchens, sind auch die Namensbezeichnungen: Herkingen, Herchlingen, Herlichingen, Herechingen und endlich Herchingen, wie es auf einer alten [...] (Anm. d. R.: Postkarte?) zu finden ist.
EIN GRAF GRÜNDETE DAS KLOSTER DER ZISTERZIENSER
Kurz vor seinem Tode am 1.1.1247 gründete der letzte Graf von Sayn, Heinrich der III, das Zisterzienser-Kloster in Herchen und übertrug der Gräfin Mechthilde von Landsberg-Sayn die Bauausführung. Als Gründungsjahr wird das Jahr 1248 angenommen. 1266 unterstellte der Erzbischof von Köln das Kloster dem Abt von Heisterbach. In der Folge war die Geschichte Herchens sehr eng mit der Geschichte des Klosters verbunden. Heute sind von dem Kloster nur noch einige Ruinenreste erhalten. „Im Klostergarten“ hat der Besitzer des alten Fachwerkhauses Karl-Heinz Dahm bei Erdarbeiten am Hause die Reste eines Ziehbrunnens gefunden und restauriert.
Neben seinem Hause ist eine in Teilen noch gut erhaltene Bruchsteinmauer erkennbar, in die von der Rückseite des Hauses ein kleines Tor führt. Diese Wand ist aber, wenn man sie mit einem Foto aus dem Jahre 1930 vergleicht, kaum noch zu erkennen. Schenkungen, Landwirtschaft, Weinbau, später eine Walkmühle, sogar ein Brauhaus führten zu einem gewissen Wohlstand des Klosters und damit auch Herchens. Im Mittelalter waren der Ort und seine Umgebung, vor allem der Nachbarort Gerressen, Mittelpunkt des Tuchweber-Handwerkes, das dem Ort Ansehen in ganz Europa verschaffte. Leider gibt es über deren Tätigkeit wenig historisch Bewiesenes.
Ende des 16. Jahrhunderts verarmte das Kloster, eine Pestepidemie führte zum Ende des klösterlichen Lebens (1581 ging es in den Bestand des Klosters Merten über). 1701 wurde zur Erinnerung an das ehemalige Kloster eine Kapelle an der Sieg, die Antoniuskapelle von der Äbtissin des Mertener Klosters Anna Margaretha von Pampus erbaut.
„SIEGTAL-CHAUSSEE“
Nach dem Niedergang des Klosterlebens, sowie dem Niedergang der Tuchweberei, prägte über lange Zeit Armut das bäuerlich geprägte Landleben. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Herchen einen gewissen Wohlstand. Bedingt vor allem durch den Bau der Siegtalstraße. (Baubeginn 1850). Die Kopie der historisch interessanten Genehmigungsurkunde für den Bau dieser neuen Verkehrsanbindung, unterschrieben von Kaiser Friedrich Wilhelm, aus dem Dorfarchiv soll dem Leser nicht vorenthalten werden.
Bis zum Bau dieser Straße („Siegtal-Chaussee“) waren die Orte und Weiler in der Nachbarschaft der Gemeinde Herchen nur über die Berge und entlang der Berghänge miteinander auf mehr schlechten als rechten Wegen verbunden. Auch Beerdigungen aus den kleinen Nachbarorten wurden über diese Bergwege oft mühsam bewältigt. Ein Wanderweg von Herchen nach Röcklingen trägt heute noch den Namen „Lichweg“. Eine weitere Erschließung des oberen Siegtals erfolgte durch den Bau der Eisenbahnlinie Köln Siegen 1858/59.
Eine der ältesten Ansichtskarten (Poststempel 1895 – Abb.) zeigt das Dorf, wie es etwa um diese Zeit ausgesehen haben mag mit der ersten Brücke über die Sieg. Sie wurde jedoch ebenso wie die Eisenbahnbrücke 1909/10 durch ein ungewöhnlich schweres Hochwasser zerstört, aber schon 1912 durch die neue Fahrbrücke ersetzt. Diese Brücke wurde am Ende des 2. Weltkrieges von der deutschen Wehrmacht gesprengt und durch eine Pontonbrücke ersetzt.
Die jetzige Brücke entstand 1949. Herchen, im Mittelpunkt des romantischen Siegtals gelegen, wie bereits gesagt, vom „Baedeker“ 1883 als „schönster Luftkurort des Siegkreises“ bezeichnet, konnte sich wohl aus diesen Gründen um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts, in der sog. „Belle Époque“, zu einem Zentrum des Fremdenverkehrs mausern. Es wurde zu einer, wie man seinerzeit formulierte, „Sommerfrische“. Die wohlhabenden Städter zog es in dieser Zeit nicht so sehr, wie heute, in den Süden, sondern man zog es vor, den Sommer auf dem Lande zu verleben.